Ausstellung im Jahr 2009

Carsten Lewerentz | Präludium und Fuge

Zeitraum: 10.2. - 31.3. 2009

Versuch einer Annäherung

Aus der Welt der Musik entlehnt mag der Titel dieser Skulptur aus Zirbelkiefer wohl auf die nonverbale Sprache von Bildender Kunst hinweisen. Dennoch kann eine Annäherung an dieses Bildwerk hier nur verbal erfolgen, was von Anfang an die Schwierigkeit und Unzulänglichkeit dieses Vorhabens kennzeichnet.

Jede Plastik oder Skulptur, als ein gemachtes Gegenüber des Menschen, verlangt bewusst oder unbewusst immer auch die Auseinandersetzung mit ihrem Standort, Sockel oder Podest usw., sowohl vom Erbauer, als auch vom Betrachter. Im vergangenen Jahrhundert wurde die Skulptur als Zeichen politischer und religiöser Macht nach und nach von ihrer erhöhten Stellung auf Augenhöhe gebracht. Als Beispiel sei an den gestürzten Reiter von Marino Marini (1901-1980) erinnert, der damit das Reiterstandbild an sich wahrhaft vom Sockel stürzte. Im Bereich der Kleinplastik hatte sich z.B. der Bildhauer Constantin Brancusi (1876-1957) intensiv mit der Frage der Einheit von Sockel und Figur beschäftigt, nachdem er von der äußeren Darstellung der Menschen zur Darstellung von inneren Gefühlen mit Hilfe abstrakter und reduzierter Formen übergegangen war.

Seit einigen Jahren finde ich in realistischer Darstellung abgelegter Kleidungsstücke eine Fülle an Formen, die etwas über das Innenleben der nicht abgebildeten Träger dieser Kleidungsstücke vermitteln, aber auch ganz abstrakt gesehen werden können. Auch ich begebe mich bei diesen Arbeiten auf die Suche nach äußerer und inhaltlicher Einheit von Skulptur und Sockel, wie z.B. bei meiner `SÄULE' (1999) oder bei der hängenden Skulptur `MEIN MÄDCHEN' (2005). Während die `SÄULE,' mit dem `Hosenkapitell' zwar ihrer tragenden Funktion beraubt, noch auf festem Boden steht, ist `MEIN MÄDCHEN' in die innere Leere eines Rahmens gerückt, um dort die Spuren des Lebens zu entfalten. Der Rahmen in menschlicher Dimension bildet das Gegenüber, in dem sich die stofflich, reliktartige Wirklichkeit mit der Welt der Gedanken und Gefühle treffen.

Eine logische Fortsetzung dieser Einheit von Sockel und Skulptur findet sich nun in meiner neuen Arbeit `PRÄLUDIUM UND FUGE' wieder. Hier verbinden sich Schnitzwerk und Sockel zu einer Stele, welche die leere Hülle mit ihrer Vielfalt plastischer Formungen in sich aufnimmt. Die gläserne Unterbrechung und Auflösung der Stele gewährt dem Betrachter Einblick in einen mannigfaltigen Intimbereich. `PRÄLUDIUM' - Vorspiel für die Augen - und `FUGE' - Flucht vor haptischem Zugriff - finden statt, können bewegen, fesseln und nachdenklich stimmen, und dabei die Realität vom Modell und der handwerklichen Faszination dieses Schnitzwerkes vergessen machen.

Über einen Zeitraum von vier Jahren und in ungezählten Arbeitsstunden ist dieses neue Schnitzwerk entstanden. Aus einem Block Zirbelkiefer gearbeitet scheint es selbst Fachleuten des Schnitzerhandwerks unvorstellbar, mit welcher Präzision und Feinheit all die Faltungen und Höhlungen der plastischen Außen- und Innenräume dieser Skulptur hergestellt werden konnten. Wenn man darüber hinaus erfährt, dass ich eigens dafür spezielle Werkzeuge anfertigen musste, drängen sich doch Gedanken an Spinnerei und Verrücktheit auf - eine von außen betrachtet völlig unsinnige Ballung und Verdichtung von Zeit, die in diese Arbeit gelegt wurde. Warum macht jemand so etwas? Ließe sich meine Thematik von abgelegter Kleidung mit ihren subtilen Erscheinungsformen nicht auch einfacher darstellen und ausdrücken - schneller, billiger, größer, effektiver, ...?

Die Intensität und Langsamkeit meiner Arbeit könnte als stille Rebellion sowohl gesellschaftlich, als auch in der Kunst gedeutet werden. Gegen den Trend arbeite ich bewusst mit Mitteln Jahrhunderte alter Handwerkstradition. Nicht das Serielle, Reproduzierbare, Schnelle, und Gewinnbringende interessiert mich, sondern das handgemachte, kostbare Einzelstück, das selbst von computergesteuerten Maschinen nicht hergestellt werden könnte.

Neben der thematischen Auseinandersetzung mit dem Werden, Sein, und Vergehen, die von den leeren Hüllen menschlicher Kleidung angeregt wird, öffnen sich dem Schauenden vielerlei Ansatzpunkte für Fragen hinter diesem Werk. Somit bildet in Zeiten von Massenveranstaltungen im Ausstellungswesen (z.B. Kandinsky in München) diese Vorstellung eines einzelnen Werkes der Bildenden Kunst im `dörflichen Nirwana der Kunstszene' einen ernstzunehmenden Gegenpol, der Neues zu geben vermag, und durchaus Beachtung verdient.

Einige Reaktionen:

Danke, Carsten, freu mich immer, wenn ich von dir höre bzw. sehe. Dein Text gefällt mir. Es ist ja mit der Unterwäsche und den Frauentorsi immer so eine zweischneidige Sache; da ist es gut, wenn ein paar Worte dazu kommen... Herzliche Grüße, B.

Danke, Sieht interessant aus. Auf meinem nächsten Trip ins Achental werde ich aussteigen. Viel Erfolg. Liebe Grüße an Familie, F.

Hallo Carsten, vielen Dank für Deine e-mail. Wir werden bald einen Spaziergang zum Fenster machen. Freuen uns sehr darauf wieder etwas neues im Fenster zu sehen. Gruß, H.

Hallo Carsten! Wir sind begeistert! Ganz liebe Grüße, L.&W.

Lieber Carsten, hab hineingeblickt in dein Atelierfenster via Internet, dein letztes Werk durfte ich ja schon vorher ganz aus der Nähe betrachten. Wie du ja weißt, finde ich deine Arbeiten traumhaft schön. Ich hoffe, du bekommst noch viel abgelegte Kleidung! So jetzt wünsche ich einen schönen Wintertag, liebe Grüße, U.

Lieber Herr Lewerentz, vorzüglich wie immer, werde bald hinwandern. Beste Grüße, H. H. H.

Lieber Carsten, vor kurzem habe ich festgestellt, dass mir Deine Mitteilungen irgendwie fehlen. So bin ich sehr erfreut, dass du sogar von Dir selber etwas ausstellst. Ich werde mich sehr bemühen, rechtzeitig nach Staudach zu fahren. Liebe Grüße, S.

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